Beitrag von Nicolas Bramke

09.05.2018

Der eine oder andere hat es ja schon läuten hören... wir arbeiten derzeit an der Umwandlung artenarmer Rasenflächen in artenreiche, naturnahe Blühwiesen. Nur durch Zufall sind wir in einem Gespräch mit dem Grünflächenamt darauf hingewiesen worden, dass zwischen den beiden Flächen demnächst ein Fahrradweg gebaut werden soll (PDF). Genauer: Ein Radfernweg für die Strecke Berlin-Leipzig. Wir waren erst einmal angenehm überrascht, denn unserem Projekt würde dies nicht im Wege stehen und zudem finden wir mehr Radwege in Berlin sehr super und wünschenswert.

Wenig später allerdings änderten wir unsere Meinung gehörig. Zum einen fanden wir durch Zufall Bilder von besagtem Bereich, die wir ein Jahr zuvor gemacht hatten (siehe Titelbild). Wir waren selber überrascht das dort so viele blühende Pflanzen drauf zu sehen sind. Um besser einzuschätzen, ob diese für die nahe außergewöhnlich große Wildbienenkolonie der Fuchsroten Sandbiene in der Dillgesstr. eine Rolle spielen, wollten wir dann doch mehr Zeit darauf verwenden.

Nach Prüfung ergab sich, dass der Teppich aus gelben Blüten das Frühlings-Scharbockskraut ist. Und als Frühblüher spielt es für die Bienchen in der Dillgesstraße tatsächlich eine Rolle.

Wir stellten also eine Anfrage an die Untere Naturschutzbehörde ob dieser Punkt relevant genug ist, um die Baumaßnahmen ggf. ändern zu können. Zum Beispiel einfach den Fahrradweg die Mühlenstraße lang verlängern und dann auf den bereits super ausgebauten Radweg auf der Gallwitzallee führen, wo dieser eh münden soll. Grade in Zeiten des großen Insekten- und Bienensterbens fanden wir das dies Grund genug wäre. Es stellte sich heraus das dem leider nicht so ist, und keine Rücksicht auf das Scharbockskraut als Futterqulle dder Bienen genommen werden kann.

Na gut, die Baumaßnahmen standen still und wir hofften noch auf eine Blüte des Krautes, damit die Bienchen sich daran noch weiden können dieses Jahr. Im kommenden Jahr hätten wir dann hoffentlich die naturnahen Blühflächen fertig, welche den Verlust dann etwas kompensieren könnten.

Tatsächlich blühte etwas. Nicht das Scharbockskraut, sondern erstmal Krokusse.

Auch diese wurden von bereits aktiven Bienen angeflogen und erfreuten sich großer Beliebtheit. Das Scharbockskraut ließ sich noch immer nicht blicken, aber ein anderer Frühblüher, nämlich der Blaustern, zeigte sich nicht wenig.

Auch dieser war gerne gesehen und besucht durch Bienen. Dann endlich kam auch das Scharbockskraut und legte einen gelben Teppich über den geplanten Fahrradweg.

Später folgte jede Menge Löwenzahn... lecker für Bienen und alles noch frühblühend im April. Wir hielten dies letztmalig in Bildern fest, um zu zeigen wieviele frühblühende Arten durch die Baumaßnahme zerstört werden würden und wandten uns wieder den Flächen zu, die wir naturnaher gestalten wollen.

Und genau an dieser Stelle kam dann etwas Glück ins Spiel. Denn für die Arten die wir ansiedeln wollen, müssen wir vorher prüfen mit was für einer Bodengesellschaft (ein kleiner Ausflug zu dem Thema ist hier zu finden) wir es zu tun haben, damit wir Pflanzen auswählen die damit zurecht kommen.

Dabei entdeckten wir, dass die Flächen auf denen wir arbeiten werden (und genauso die Fläche des geplanten Radwegs) aufgrund der Funktionen dieses Bodens eine sehr hohe Schutzwürdigkeit besitzen.

Der Grund ist eine ausgezeichnete Pufferfunktionen (Bewertung Puffer- und Filterfunktion: hoch) in Bezug auf Schermetalle. Dieser Boden sorgt also dafür das diese aus dem Niederschlagswasser herausgefiltert werden und das Grundwasser geschützt wird.

Ich will hier gar nicht näher auf Bodenprozesse eingehen (der Exkurs wäre lang und schmerzhaft... so habe ich es jedenfalls im Studium wahrgenommen :-), aber... dieser Boden ist wichtig und wertvoll. Wenn dieser Boden versiegelt bzs. teilweise versiegelt wird, und genau das passiert bei dem Bau des Radweges, verliert der Boden einen Teil der Fähigkeiten die ihn so schützenswert machen.

Nun gibt es vor jedem Bauvorhaben verschiedene Prüfungen ob das Bauvorhaben auch durchgeführt werden darf. Eine davon ist die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Wie der Name schon sagt wird dort geprüft wie sich der Bau mit der Umwelt und Natur verträgt. Im Rahmen dieser Prüfung werden sogenannte Schutzgüter darauf geprüft ob oder wie stark sie von der Baumaßnahme betroffen sind. Beispiele für Schutzgüter, und auch gleich die für uns relevanten, sind zum Beispiel das Schutzgut Boden oder das Schutzgut Tiere, Pflanzen & biologische Vielfalt.

Wir vermuten nun das eine UVP für den Bereich des Gemeindeparks nicht stattgefunden hat wenn diese Schutzgüter irgnoeriert werden. Dafür spricht auch der Umstand das in einer älteren Karte (PDF) aus dem Jahr 2010 die Route des Radweges tatsächlich noch auf der Mühlenstraße verlief. Es wurde anscheinend erst im Nachhinein die Streckenführung verändert und durch den Gemeindepark gelegt.

Aus diesem Grund stellten wir eine Anfrage (siehe Mail / PDF) an verschiedene Bereiche des Bezirksamtes, da die Zeit drängte und die Bauarbeiten in der Mühlenstraße erwachten und sich dem Gemeindepark näherten. Ab dem 20.05.2018 sollen (laut Aussage des ausführenden Bauunternehmens) die Arbeiten im Gemeindepark beginnen. Grund genug für uns auf eine Antwort zu pochen, die bisher kaum und leider sehr schleppend erfolgt.

Wir haben die Zusage das wir bis kommende Woche Montag (14.05.2018) eine Meldung aus dem Fachbereich Bau- und Wohnungsaufsicht des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf zu diesem Thema erhalten, da noch auf eine letzte Information einer Kollegin (im Urlaub) des Fachbereichs Altlasten gewartet wird. Mehr als eng, aber wir bleiben dran und halten Euch auf dem laufenden.

Die weiteren Fragen zu den potentiellen Konflikten von Fußgängern / Fahrradfahrern klären wir grade noch ab, denn auch hier scheinen sich viele Stellen aufzutun die Gefahrenquellen vor allem für Kinder (Spielplatz an der Mühlenstraße) und Senioren (Nachbarschaftshaus Maria-Rimkus nahe der Gallwitzallee im Park) sind. Später dazu mehr.

Das ganze als kurzes Video auf unserem YouTube-Kanal: KLICK

 

10.05.2018, UPDATE:

Eine Antwort erreichte uns von Herrn Behr vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin, Straßen- und Grünflächenamt- Fachbereich Tiefbau -Tief 3-:

"zur Baumaßnahme Radweg Berlin-Leipzig möchte ich Ihnen noch zusätzliche Informationen zukommen lassen. Im Auftrag der damaligen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt wurde durch ein Ingenieurbüro für den von Ihnen im Betreff benannten Abschnitt eine Bauplanungsunterlage angefertigt und wiederum bei der Senatsverwaltung zur Prüfung eingereicht und von dieser genehmigt. Diese Planung sieht vor, einen 3 m breiten Zweirichtungsradweg als Verbindung der Gallwitzallee mit der Mühlenstraße durch die Grünanlage herzustellen. Der Aufbau dieses Radweges ist mit 25 cm geplant, wovon die oberen 10 cm bituminös hergestellt werden. Die restlichen 15 cm Tragschicht sind als Natursteinschotter angedacht. Im Rahmen der Planungsphase wurde diese Trasse ausgewählt, da sich hier schon ein unterirdischer Schmutzwasserkanal der Berliner Wasserbetriebe befindet (siehe Anlage). Durch den Bau des Radweges werden deshalb keine schädlichen Bodenveränderungen hervorgerufen. Der von Ihnen angeführte Querschnitt A-A, sowie die UVP Nr. 24143418 beziehen sich auf den Fahrbahnabschnitt der Mühlenstraße."

Leider geht nicht hervor welcher Teil des Bezirksamt den Bau genehmigt hat bzw. ob dabei die Untere Naturschutzbehörde überhaupt mit einbezogen wurde. Die angeführte Umweltverträglichkeitsprüfung bezieht sich nur auf den Fahrbahnabschnitt und schließt leider nicht den Bereich der Böden im Gemeindepark mit ein. Wir überlegen nun wie es weiter geht.

 

11.05.2018, UPDATE:

Wir haben eine Bürgeranfrage zu dem Thema bei der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Bezirk eingereicht um verschiedene Punkte eindeutig abzuklären:

"Es existieren widersprüchliche Angaben zum Streckenverlauf des geplanten Ausbaus des Fernradwegs Berlin-Leipzig, Abschnitt "Radstreifen in der Mühlenstr. zwischen Kameradenweg und Gallwitzallee in Berlin -Lankwitz". In einem Dokument der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung III aus dem Jahr 2004*, führte der geplante Verlauf noch über die komplette Mühlenstraße bis hin zur Gallwitzallee, um dort an den Radweg anzuschließen. Mit dem Informationsschreiben durch das Tiefbauamt aus dem Jahr 2017** verläuft die Strecke hingegen über die Grünfläche des Gemeindeparks hin zur Gallwitzallee und nicht mehr komplett entlang der Mühlenstraße. Dieser neue Verlauf des geplanten Fernradwegs durch die besagte Grünfläche beeinflusst Böden mit 'sehr hoher Schutzwürdigkeit' sowie viele für Bestäuber relevante Frühblüher (Krokusse, Blaustern, Scharbockskraut, Löwenzahn) als auch andere Schutzgüter.

Frage:
Warum wurde die ursprüngliche Planung, den Fernradweg die komplette Mühlenstraße entlang an einen bereits existenten, gut ausgebauten Radweg anzuschließen, zu Lasten einer weiteren Versiegelung einer Grünfläche geändert?

Nachfrage 1:
Wurden im Vorfeld im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP vom 4.12.2014, Prüfbericht-Nr. 24143418) für die Eingriffs-Ausgleichplanung zum Ausbau des Fernradweg Berlin-Leipzig, Abschnitt "Radstreifen in der Mühlenstr. zwischen Kameradenweg und Gallwitzallee in Berlin -Lankwitz"**, konkret den beplanten Grünflächenabschnitt im Gemeindepark Lankwitz betreffend, die Schutzgüter 'Boden' und 'Tiere, Pflanzen & biologische Vielfalt' berücksichtigt?

Nachfrage 2:
Wenn Nachfrage 1 eine fehlende Berücksichtigung der Schutzgüter nach §2 Abs. 2 UVPG im Zuge der Alternativenprüfung nach §40 Abs. 2 Nr. 8 UVPG nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) als Antwort ergibt, ist dann mit dem Stopp der Baumaßnahme (anwohnerfreundlich, sodass diese die Mühlenstraße voll nutzen können) bei Erreichen der zu bebauenden Grünfläche zu rechnen, um die Situation unter Einbeziehung der Unteren Naturschutzbehörde UVPG-konform bewerten zu können?

Quellen:
*Datei "ausbau_fahrradroutennetz.pdf" aus dem Jahr 2004,
URL: https://www.berlin.de/senuvk/verkehr/mobil/fahrrad/radrouten/download/ausbau_fahrradroutennetz.pdf
** Datei "uebersicht-baubereich-muehlenstrasse-2.pdf" vom 9.5.2017,
URL: https://www.berlin.de/ba-steglitz-zehlendorf/politik-und-verwaltung/aemter/strassen-und-gruenflaechenamt/tiefbau/uebersicht-baubereich-muehlenstrasse-2.pdf "

Diese Fragen können wir dann am Mittwoch den 16.05.2018 in der BVV vortragen und dann hoffentlich die Antwort bekommen die wir uns erhoffen. Gab es eine ordentliche Umweltverträglichkeitsprüfung?

 

Warum macht Your Little Planet das? Kein Bock auf Fahrräder oder einfach nur Querulanten?

Weder noch. Wir unterstützen den Ausbau von Radwegen um die Mobilität in diesem Bereich zu erhöhen und weniger Autos auf den Straßen Berlins zu sehen und zu hören. Neben dem Klimawandel profitiert davon unter anderem auch die Gesundheit (Feinstaub, Schallstress) und die Natur (Klimawandel, Artenvielfalt). Wir sind uns auch bewusst das solchen Bauvorhaben Jahre der Planung durch viele fleissige Menschen vorausgingen die sich Tag für Tag in den immer spärlicher besetzten Ämtern aufgrund der Umverteilung von Haushaltsmitteln den Hintern wund ackern.

Aber Umweltverträglichkeitsprüfungen gibt es aus sehr guten Gründen. Sie bewahren in einem begrenzten Rahmen die natürlichen Ressourcen die uns noch verblieben sind, welches in der Stadt um etliche Faktoren wichtiger ist. Denn die Natur zurückdrängen bis der Arzt kommt hat uns an den Punkt gebracht wo wir heute sind. Zu einer Umwelt die arm an natürlichen Strukturen ist und hin zu einer immens bedrohten Artenvielvalt in der bereits 80% weniger an Insekten leben als noch vor 30 Jahren.

Deshalb setzen wir uns für die Natur und Umwelt ein, die mehr Fürsprecher braucht... sei es zum Thema Wildbienen im Rahmen von Sanierungsarbeiten wie in der Dillgesstraße oder zum Thema Versiegelung wichtiger Böden und Artenvielfalt wie beim Bau des Fernradweges. Das kommt nämlich am Ende auch allen Menschen zugute.

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