Beitrag von Nicolas Bramke

22.07.2018

Ich muss sagen die letzten Tage sind was Arbeit anbelangt kaum mit anderen Zeiten bei Your Little Planet zu vergleichen. Leider muss ich derzeit Vollzeit arbeiten, damit wir Your Little Planet weiter finanzieren können. Es ist ein denkbar ungünstiger Zeitraum, da wir grade unser Blühflächenprojekt vorantreiben müssen mit allem was dran hängt, das Nisthilfenprojekt und uns auch noch weiter um eine mehr als fragwürdige Baumaßnahme eines Teilabschnitts des Fernradweg Berlin-Leipzig in Steglitz-Zehlendorf kümmern... und nun rückt auch noch die neue Berliner Strategie zum Schutz von Bienen und anderen Bestäubern in den Vordergrund.

Das Ganze fing damit an, dass wir schon im Radio von einer Berliner Strategie zum Schutz von Bestäubern hörten, zu der wir dann auch durch eine engagierte Bürgerin den aktuellen Beschluss des Abgeordnetenhauses erhielten. Dort bekamen wir bereits das erste mal Kopfschmerzen, da die gesamte Strategiegrundlage für die Honigbiene konzipiert ist.

Den Vorstoß zur Entwicklung einer Strategie hatte, so teilte man uns mit, Herr Turgut Altuğ (Bündnis 90/Die Grünen) maßgeblich mit vorangebracht. Wir wurden daraufhin in eine E-Mail-Diskussion mit eingeladen, welche als private Anfrage an Herrn Altuğ bereits existierte und konkret die Sorge um die Wildbienen beinhaltete.

Die Antwort durch Herrn Altuğ fiel leider (mit weiteren sehr allgemeinen Hinweisen was Bündnis 90/Die Grünen bisher zu dem Thema bzw. zur Strategie Biologische Vielfalt getan haben) sehr unbefriedigend aus:

"Ich möchte den Bienenschutz (Honigbiene) und Wildbienen- bzw. Bestäuberschutz (weitere Bestäuber ausser Bienen) nicht gegeneinander ausspielen. Für mich gehören beide zusammen gefördert."

Wir bekamen noch mehr Kopfschmerzen... und zwar als er die Honigbiene (eine einzige Art) auf eine Stufe setzt, wie alle anderen 297 in Berlin vorkommenden Wildbienenarten, 118 Tagfalter- sowie Nachtfalterarten, Fliegenarten, Grabwespenarten, Käferarten, Vogelarten und Fledermäuse zusammen.

Daraufhin starteten wir unsere Beteiligung im Rahmen dieser Anfrage und schrieben, dass niemand daran interessiert ist, Honigbienen und Wildbienen gegeneinander ausspielen. Aber Bienenschutz in Deutschland beinhaltet eben auch den Schutz aller Bienen, sowohl der Honigbiene als auch den anderen 569 Wildbienenarten (nach WESTRICH, Stand: 07/2018). Bestäuberschutz geht auch über die Bienen hinaus, eben alle anderen bestäubenden Arten. Nach Nennung vieler Fakten stellten wir ihm am 14.06.2018 folgende Frage:

"Mit welcher Strategie haben Sie in diesem Kontext vor, den Erhalt und die Förderung der Wildbienen- und Tagfalterarten und anderer Bestäuber bzw. Ihrer Lebensräume in Berlin bei einem solchen Konkurrenzdruck sicherzustellen?"

Wir warten bis heute auf eine Antwort.

Auch nach nochmaliger Nachfrage ob er unsere Anfrage denn nicht beantworten wolle bleibt es von seiner Seite still in unserer Mailbox.

Akteursgespräche zur neuen Strategie - und wir dabei

Wir wurden zufällig durch einen Akteur aus dem Bienenbereich gefragt, ob wir ebenfalls zu dem Akteursgespräch in der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz kommen würden, damit man sich dort mal kennen lernen könne. Welche Akteuersgespräche...?

Wir erfuhren das im Zuge der Ausarbeitung der Strategie zum Thema Bienen- und Bestäuberschutz verschiedene Akteure eingeladen wurden um Ihre Gedanken und Ideen zur Verbesserung der Strategie vorzubringen.

Das man uns nicht einlud ist verständlich, da wir in der derzeitigen Größe nicht auf dem Ticker der Berliner Politik sind... so realistisch sind wir dann doch.

Das hielt uns aber nicht davon ab uns selber zu diesen Gesprächen einzuladen, um mit unserer Expertise zu Wildbienen, dem Schutz derselben auf dem Boden von Wohnungsbaugesellschaften und zur Biodiversität ebenfalls einen Beitrag zu leisten. Natürlich auch weil wir die Befürchtung hatten das bei dieser Strategie sonst die Wildbienen zu kurz kommen (von den anderen Bestäubern ganz zu schweigen).

So lud uns auf unsere Anfrage hin kurzerhand die die Strategie begleitenden Landschaftsarchitekten gruppe F zum

  • 3. Akteursgespräch: Gruppe der Berliner Wohnungsunternehmen
  • 4. Akteursgespräch: Gruppe der Vereine, Projekte und Initiativen

ein.

Wir wurden aufgefordert verschiedene Fragen vorab zu beantworten welche die Strategie aus unserer Sicht verbessern würden bzw. wie uns diese Strategie bei unserer Arbeit als Initiative helfen könnte. Unsere Antwort kam prompt:

  • Schaffung von deutlich mehr Nahrungsangeboten in Form von naturnahen Flächen und Blühwiesen für alle Arten an Bestäubern mit regionalem Saatgut bzw. auf ggf. nahe Bestäuberpopulationen angepasste Saatmischungen
  • Erarbeitung der Strategie für alle Arten an Bestäubern wie Wildbienen, Tagfalter, Fliegen, Honigbienen, etc. gleichermaßen, um einen Verlust an Biodiversität durch Überförderung einer einzelnen Art (z.B. Honigbiene) zu verhindern
  • Aufbau eines Bienen- und Blühflächenkataster für Berlin, um das Nahrungsangebot für Bestäuber besser einschätzen zu können und eine bessere Datenbasis zu dem Thema zu erhalten
  • Vorsorglicher Abgleich von zu registrierenden Honigbienenvölkern in Hinsicht auf Nahrungsangebot und Nähe zu bereits bestätigten Wildbienenkolonien zur kontrollierten Entwicklung des Honigbienenbestandes im urbanen Raum (aufgrund der Nahrungskonkurenz der Honigbienenvölker bezogen auf wildlebende Einsiedler-Bienen)
  • Angepasste Mahd (Mähen) auf allen öffentlichen Flächen um krautigen Arten mehr Spielraum zu geben
  • Verpflichtung von Wohnungsbaugesellschaften artenarme Rasenflächen bestäuberfreundlicher zu gestalten (Umstellung der Mahd bzw. Reduzierung dieser als erster Schritt)
  • Schutz des Berliner Pflasters, um Nistraum für etwa 50 % der Bienen* die im Boden nisten, zu erhalten / Vermeidung der Beimischung von Mörtel zum Fugensand von zukünftigen Reparaturmaßnahmen im Berliner Pflaster
    -    * weitere Arten, wie Grabwespen nutzen ebenso Boden als Nistraum
    -    Entsiegelung fördern zu Gunsten von Nistraum für Wildtiere wie Bestäuber und für Flächen um Nahrungspflanzen erhalten

Aber Moment mag jetzt der eine oder andere sagen... ihr spracht von den Akteursgesprächen 3 und 4. Wer kam denn da zu den Akteursgesprächen 1 und 2? Eben...

Die Gespräche und unser Eindruck

Damit der Text hier keine epischen Ausmaße annimmt, werde ich nun die wichtigsten Punkte herausarbeiten die sich im Zuge beider Gespräche für uns durch die besprochenen Inhalte und anwesenden Personen und späterer Recherchen für uns herauskristallisierten:

  • Herr Turgut Altuğ (Bündnis 90/Die Grünen) als Mitinitiator der Strategie spricht aktuell von der Förderung aller Bestäuber, sagte aber noch in 2014 in der MOZ und in 2018 in der Morgenpost das Imker gefördert werden müssen
  • Bereits 2015 wurden dazu Gespräche mit ausschließlich Imkern geführt wie imkerblog.de berichtet
  • Bündnis 90/Die Grünen, federführend beim Entwurf der Berliner Strategie, fördert den deutschen Imkerverband mit 50.000 Euro jährlich
  • Es gab bereits ein 1. Akteursgespräch mit großen NGO`s
  • Es gab bereits ein 2. Akteursgespräch mit Imkervereine und -verbänden
  • Moderiert wurden die Gespräche durch Annette Mangold-Zatti, ihres Zeichens Mitarbeiterin der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und der Entwicklung der Strategie vorstehend. Zudem ist sie Kassenverwalterin des Imkerverein Reinickendorf-Mitte e.V.
  • Die den Gesprächen mit Vorsitzende Bienenexpertin ist Melanie von Orlow ist vor allem Expertin für Honigbienen und Faltenwespen und nicht für Wildbienen
    Sie ist Erste Vorsitzende des Imkerverein Reinickendorf-Mitte e.V. und betreibt den Honigbienenblog hymenoptera.de. Ein Beitrag im imkerforum.de vom 7. Juni 2018 von Frau von Orlow zum Beschluss:
    "Der Beschluss im Abgeordnetenhaus orientiert sich letztendlich auch an anderen Stadtstaaten, die so eine "Bienenstrategie" schon haben - prominentes Beispiel ist Hamburg (>>hier zur Hamburger Bienenstrategie). Vor dem Hintergrund, dass Berlin mit vermutlich an die 2000 Imker und Imkerinnen (und damit ähnlich "bienenreich" wie so einige Flächenbundesländer ist) die Ansprüche auf EU-Agrarförderung an Brandenburg abgetreten hat und wir damit von all jenen Fördertöpfen abgeschnitten sind, die in anderen Bundesländern selbstverständlich sind, halte ich solche zunächst rein politischen Papiere für sehr wichtig... darum sollten sich da viele einbringen damit auch was fundiertes rauskommt auf das man später pochen kann!"
  • Uns erschreckte der Vorschlag einer Wohnungsbaugesellschaft, das man gepflanzte Blühflächen auf eigenem Grund als Ausgleichsmaßnahme (Ausgleichsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz) für Eingriffe nutzen wolle, die an anderer Stelle Natur zerstören. Eine Ausgleichsmaßnahme ist aber lediglich ein Werkzeug zum Ersatz von etwas zerstörten und kein Werkzeug zur Förderung von etwas. Traurigerweise wurde dieser Vorschlag aber begeistert durch die Moderatorin bzw. einer Mitarbeiterin von gruppe F als Punkt in der Strategie aufgenommen.
  • Es war erfreulich das auch Wohnungsbauunternehmen bzw. -genossenschaften dabei waren, die einen etwas ganzheitlicheren Ansatz der Förderung verfolgen wollen bzw. bereits verfolgen.
  • Ein weiterer Gast der Runde (nicht Teil der Planungsgruppe) war der Wildbienenexperte Christian Schmid-Egger, der im Zuge der Vorstellung der 3. Akteursgespräch der Gruppe der Berliner Wohnungsunternehmen  sagte das "...ein Schutz der Honigbiene in keiner Weise notwendig ist, da diese bereits durch Imker hinlänglich gefördert wird. Zudem ist die Honigbiene ein Nutztier und es Bedarf vielmehr der Förderung wildlebender Arten in Berlin."
  • Zu unserem eigentlichen Termin, dem 4. Akteursgespräch: Gruppe der Vereine, Projekte und Initiativen, kamen nur sehr wenige Beteiligte und wir wären fast die einzigen geblieben wäre nicht ein Vertreter der Aurelia Stiftung und eine Vertreterin des Netzwerks Blühende Landschaften e.V. erschienen. Die Runde der Initatoren war deutlich ausgedünnt (auch aus krankheitsgründen) und wir hatten nicht den Eindruck das der Termin ernst zu nehmen ist, abgesehen von der Vernetzung mit den anderen Vertretern.

Ein grandioser Satz den ich im Zuge des Abends noch hörte, möchte ich Euch nicht vorenthalten, da er wie nichts anderes die Strategie in dieser Form beschreibt:

"Bestäuber zu fördern indem man Honigbienen fördert ist wie als wenn man Hühner in einem Gehege hält um Vögel zu fördern."

Kurz und gut... derzeit haben wir nicht den Eindruck das zugunsten einer breiten Förderung aller Bestäuber von der Honigbiene als zentral zu schützende Art abgerückt wird (was aus vielerlei Gründen nicht duchdacht ist). Das heisst aber nicht das wir aufgeben, vielmehr sehen wir uns darin bestärkt etwas zu tun, um die Verantwortlichen von einem nachhaltigeren Ansatz der Strategie zu überzeugen und zu einem Umdenken zu bewegen.

Und das scheint uns wichtig, denn eine Strategie aus der Hauptstadt Berlin wird eine Signalwirkung haben an andere Städte und Gemeinden, viel stärker noch als die Hamburger Strategie bereits Grundlage für die Berliner Strategie war.

Und was habt ihr vor?

Dazu laufen derzeit verschiedenste Ideen an um unsererseits eine Strategie vorzulegen, die das Wort Bestäuberstrategie deutlich mehr trifft als die bisherige, die in Arbeit ist:

  • Schaffen einer Lobby für alle bestäubenden Arten um die starke Förderung einer Art (Honigbiene) zum Nachteil anderer Arten (allen voran alle anderen bestäubenden Insekten wie Wildbienen, Tagfalter, etc.) zu vermeiden und einen nachhaltigeren Ansatz einzubringen fern von politischen Aktionismus
  • Ausarbeitung eines Positionspapiers, welches zusammen mit Entomologen (Experten für Insekten, wie Bienen, Fliegen, Grabwespen, Käfer, Tag- und Nachtfalter, etc.) und Ornithologen aus ganz Deutschland erarbeitet wird
  • Umweltbildung mit Abgeordneten die als Entscheidungsträger solche Entscheidungen mit großer Tragweite beeinflussen

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