Beitrag von Nicolas Bramke

01.05.2018

Seit wir als Initiative vom Grünflächenamt die Erlaubnis haben im Berliner Süden artenarmen Rasen in artenreiche Blühwiesen umzuwandeln, sind die Herausforderungen recht hoch. Man will ja alles richtig machen, und es gehört eine Menge mehr dazu als einfach nur Saaten in die Pampa zu schmeißen.

Samenbomben (oder Seedballs) kommen ja schon so langsam mit Bärten daher, so lange gibt es die gefühlt schon und werden in den Landschaften verteilt. Ich war persönlich nie so richtig glücklich mit den Dingern, da es aus meiner Sicht schon immer wenig Sinn machte, alle möglichen Samen überall zu verstreuen. Warum, das will ich euch jetzt kurz mal näherbringen.

Ich fange einfach mal mit Begriffen wie „heimische“, „archäophytische“ und „neophytische“ Arten an:

Heimische Arten sind, wie der Begriff schon sagt, wildlebende Pflanzenarten die ihr Verbreitungsgebiet im Inland (oder teilweise Ausland) haben. Diese sind hier seit Urzeiten heimisch und bilden die Grundlage für ausbalancierte Biotope und Ökosysteme in Deutschland (bzw. sollten Grundlage dieser sein, wenn die intensive Landwirtschaft nicht wäre). Dazu gehören Pflanzen wie Waldmeister, Bärlauch, Buchs, Nelken, Eisenhut, Frauenmantel, Rittersporn, Maiglöckchen, und viele, viele andere.

Archäophyten (auch Alteinwanderer) gelten zwar nicht als heimisch, sind aber historisch (seit der letzten Eiszeit bis zum Jahr 1492) gesehen, durch menschlichen Einfluss in hiesige Regionen eingeführt worden. Diese haben sich dort dann selbstständig ohne fremde Hilfe fortgepflanzt und etabliert. Die meisten von ihnen sind Ackerwildpflanzen, die mit dem Menschen und dem Getreide aus dem asiatischen Raum nach Europa kamen.

Neophyten (neos: neu / phyton: Pflanze) sind die jüngsten Arten, die zeitlich ab der Entdeckung Amerikas (Jahr 1492) durch zunehmenden Gütertransport eingebracht wurden. Beispiele dafür sind z. B. der Götterbaum, die Rosskastanie, Eschen-Ahorn, Frauenmantel, der uns so liebe Knallerbsenstrauch, die an Bahnrändern wie Unkraut wachsende Baumart Robinie und viele andere.

Warum aber sind die so enorm wichtig sind, wenn man Samenbomben selber herstellen will?

Vor allem Neophyten sind ein Problem für heimische Pflanzen, denn sie verdrängen heimische Arten und beeinflussen Nahrungsketten. Und wird eine heimische Pflanzenart verdrängt, sind auch alle Tierarten davon betroffen die von diesen heimischen Pflanzen leben. Und wenn diese Tierarten betroffen sind… ratet mal wer sich von diesen Tieren wiederum ernährt?

Bei genauerer Betrachtung wird es dann also schon recht komplex, da alles miteinander verbunden ist und zusammenhängt. Jede Handlung hat Ihre bittere Konsequenz. Es wird aber noch... interessanter. :-)

Auch heimische Arten sind nicht überall in einem Land heimisch denn Ländergrenzen oder Bundesländer sind nicht automatisch Artengrenzen. Was in den Alpen oder im Alpenvorland wächst, wächst oft nicht in Brandenburg oder Berlin. Dazu wurde Deutschland vom VWW (Verband deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten e.V.) in 22 Ursprungsgebiete aufgeteilt. In diesen Regionen gibt es sehr charakteristische Arten, die nur dort vorkommen, und das auch weiterhin vorkommen sollen. Die Gründe dafür sind wieder die Vermeidung der Verdrängung regionaler Arten. Regionales Saatgut ist also auch sehr wichtig.

Es gibt aber noch einen anderen Punkt der wichtig ist, wenn man Samenbomben nutzen will. Die Bodentypen und deren Gesellschaften. Ja… so etwas gibt es. Von der wahrscheinlich vielen bekannten Braunerde bis hin zu eher exotisch klingenden Gleyen gibt es über 20 verschiedene Ausprägungen des Bodens.

Alle sind gleich wichtig und haben spezielle Funktionen. Diese Bodentypen ergeben in Ihren Kombinationen die Bodengesellschaften, welche die Grundlage für unsere Landschaft sind. Denn von Ihnen hängt es ab, ob die Fläche vor uns, die wir mit Samenbomben beglücken wollen, eine Feuchtwiese, Frischwiese, eine Brache, Ruderalfläche, Magerrasen oder vieles andere ist. Und jede dieser speziellen Grünflächen bieten eigene Lebensbedingungen für unterschiedliche Arten. Will heißen… nicht jede Saat wird auf diesen Flächen aufgehen (sei es zu trocken, zu feucht, zu sonnig, zu schattig, zu nährstoffreich oder -arm, etc.). Dieser Punkt spielt aber eigentlich nur eine Rolle, wenn es darum geht sein Geld sinnvoller (zum Beispiel als kleine finanzielle Unterstützung an uns!) als in nichtkeimende Samenbomben zu investieren.

Wenn man trotz aller Argumente stur ist und nicht auf Samenbomben verzichten will und sich dessen bewusst ist das dieser Eingriff in öffentliche Flächen auch als strafbare Handlung geahndet werden kann (es aber glaube ich bisher nicht wird), der möge zumindest unsere Anleitung für Saatbomben mit regionalem Saatgut und ökologisch verträglichen Materialien verwenden.

RegioÖko Samenbomben

Die optimale Zeit für das Ausbringen von Samenbomben ist April bis Mai, da hier mit einigen Regenfällen zu rechnen ist, was eine Samenbombe erst so richtig aktiviert.

Als Materialien (Bezugsquellen verlinkt) benötigt man:

  • Regionales ökologisches Saatgut Wildbienensaum (unsere Empfehlung Rieger & Hofmann weil diese Ihre Saatmischungen nach bis zu 22 Ursprungsgebiete unterscheiden)
  • Kräutererde, ökologisch und aus pflanzlichen Stoffen hergestellt (torffrei!!!... und Schande über Euch wenn ihr das nicht beachtet, da für Torf Moore trocken gelegt werden, was zudem den Klimawandel befeuert)
  • Lehm- oder Tonpulver (zur Not machts auch Heilerde aus Drogerien)
  • Wasser

HINWEIS!: Verzichtet bitte dringend auf diese unseligen Mischungen die man in Baumärkten, Discountern oder sonst wo im Internet bekommt für billiges Geld.

Zum einen, weiß man oft nicht welches Saatgut verwendet wird. Und oft werden schön bunt blühende Mischungen angeboten, die aber Bestäubern keine bzw. kaum Nahrung bieten, und es sind oft Mischungen großer Konzerne, die für das Insektensterben erst verantwortlich sind und die Wörter "regionales Saatgut" noch nicht mal kennen... :-(

Also, für 100 Quadratmeter (0,2 Kilogramm Saatgut) kostet die Mischung 37,99 € (inkl. Versandkosten und Mindestbestellwert) und ist sehr ergiebig. Hier kann man sie bestellen.

Für die Mischung, die später als Samenbomben am besten auf Backblechen trocknen kann, nehmen wir:

  • 6 Esslöffel Saatgut
  • 22 Esslöffel Kräutererde
  • 22 Esslöffel Lehm- / Tonpulver
  • Wasser

Folgendermaßen geht ihr bei der Herstellung vor:

  1. Saatgut, Kräutererde und das Lehmpulver werden in einer Schüssel vermengt. Anschließend wird Wasser vorsichtig hinzugegeben bis die Mischung formbar und geschmeidig ist, aber immer noch fest genug um als walnussgroße Kugel seine Form zu behalten.
  2. Genau in ca. dieser Größe werden nun alle Kugeln geformt. Als Lagerplatz empfehlen sich Backbleche.
  3. Die Kugeln müssen nun so schnell wie möglich an einem trockenen und warmen Ort komplett trocknen. Dies stellt sicher, dass die Kugeln anschließend genügend Stabilität haben und vor allem, dass das Saatgut in den noch feuchten Kugeln nicht frühzeitig keimt.

Im Grunde war es das dann schon mit den Samenbomben. Beim verteilen achtet bitte, bitte drauf das ihr als Flächen wirklich nur gaaaaz langweiligen artenarmen Rasen auswählt, der wenig bis gar kein Moos in der Grasdecke drin hat (wächst meist auf sehr feuchten Flächen) und der einiges an Sonne und Regen abbekommt. Das Abwerfen funktioniert soweit gut, da die Erde und Tonminerale für genügend Wachstumsgrundlage sorgen, damit die Wurzeln in den Boden dringen. Genauso geht aber auch ein leichtes in den Boden drücken der Kugeln. Beide Möglichkeiten beenden Euren Beitrag und der nächste Regen und die Sonne übernimmt den Rest.

HINWEIS!: Deutlich besser und nachhaltiger ist eine geplante und mit Grünflächenämtern bzw. Grundstückseigentümern abgesprochene Umwandlung artenarmer Flächen in artenreiche naturnahe Blühwiesen. Macht halt mehr Arbeit. :-)

 

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